„Leader müssen in Zeiten von Unsicherheit führen können“
Moderne Unternehmen verlangen einen Typus von Executives mit Kompetenzen, die oft über ihre bisherigen Erfahrungen hinausgehen. Heutzutage dreht es sich im Bereich Führung alles um datengesteuerte Entscheidungsfindung. Der vielleicht einzigartigste Aspekt dieses Technologietrends ist, dass die digitale Transformation von oben vorangetrieben, persönlich vom CEO beauftragt, wird. Ralf Knegtmans, Managing Partner bei De Vroedt & Thierry Executive Search, wirft einen genauen Blick auf die Punkte Leadership, Fähigkeiten und Managing von Unsicherheiten.
Was verlangt die digitale Transformation von modernen Leadern ab?
„In Sachen Persönlichkeit müssen Leader von heute allwissend sein und ihre ganze eigene Vision kreieren. Moderne Leader müssen zudem demütiger sein als früher. Das durch die technologische Entwicklung hohe Tempo an Veränderungen, der Grad an Spezialisierung und Komplexität ist so enorm, dass man alleine kaum noch mithalten kann und Dinge übersieht - ganz gleich, wie schlau man ist. Moderne Leader wissen, dass sie bestimmte Dinge extrem gut können. Dazu sind sie sich aber auch im Klaren, dass es ihnen in anderen Bereichen an Wissen fehlt oder sie zum Teil auch unkundig sind. Wichtig ist, dass moderne Leader nicht völlig unkundig sind. Man muss kein Experte sein, um die richtigen Fragen stellen zu können. Ein Muss aber ist, dass man mehr als nur Basiswissen über die betreffenden Themen hat. Die Zeiten der mächtigen und allwissenden CEOs sind vorbei! Dies hat Indra Nooy, die damaligen CEO von PepsiCo, während meines Interviews mit ihr sehr treffend illustriert. Sie erzählte uns, dass bei ihrem Eintritt in das Unternehmen als junge Frau der CEO tatsächlich derjenige mit dem größten angesammelten Wissen war. Als sie dann selbst CEO war, musste Sie sich anstrengen, um über alle Bereiche informiert zu sein und die richtigen Fragen stellen zu können. Leader sind ständig weiterlernende Studenten geworden - sie müssen sicherstellen, dass sie über die neuesten Entwicklungen in der digitalen Welt auf dem Laufenden sind.“
Inwieweit unterscheidet sich das von traditioneller Führung?
„Früher waren CEOs und Leader oftmals diejenigen, die am meisten wussten und bei der Entwicklung der Strategie immer ganz vorne standen. Ihre Kernaufgabe bestand, neben der Verantwortung für den rentablen und effizienten Betrieb des Unternehmens, in der Entwicklung einer klaren Geschäftsstrategie. Dies gilt zwar auch heute noch, trotzdem entwickeln sie die Strategie inzwischen zusammen mit einem Team aus multidisziplinären Mitgliedern des Vorstands und der Geschäftsführung. Es ist zwar immer noch wichtig, ein Unternehmen rentabel und effizient zu führen - aber es ist nicht mehr alles. Heutzutage geht es darum, Nutzung und Erforschung zu kombinieren. Zusätzlich zu der Aufgabe, das Unternehmen gut und rentabel zu führen, müssen Executives sicherstellen, dass ihr Unternehmen innovativ ist und sich für das rüstet, was kommt. Es heißt nicht mehr: ‚entweder/oder‘, sondern vielmehr: ‚und/und‘.“
Viele Executives sind inzwischen von der Command-&-Control-Ära in der digitalen Welt gelandet. Wie bereiten sie sich auf ihre eigene digitale Transformation vor?
„In unserem Buch haben wir zwölf Merkmale identifiziert, die Leadern beim Navigieren durch die digitale Welt helfen. So z. B. sind Fähigkeit und Anpassungsfähigkeit, Reduzierung der Komplexität, Resilienz und ein offenes Auge für Innovation von wesentlicher Bedeutung. Für Leader ist es in der neuen Welt schwierig, ihre Situation in dieser neuen Domäne völlig zu überblicken und auf dieser Basis wichtige Entscheidungen zu treffen. Daher sagen wir eine höhere Nutzung von verteilter oder kollektiver Führung voraus. In dieser Welt ist der Leader derjenige, der kollektive Führung katalysiert und sicherstellt, dass Leute aus Unterebenen die erforderlichen Führungsrollen annehmen. In der digitalen Welt sprechen wir über den ‚Leader als Leader‘.“
In Ihrem Buch Leadership in a Digital World sagen Sie, dass „es für Leader wesentlich ist, eine innovative Einstellung zu haben“. Wie können sich Unternehmen eine solche Denkweise aneignen?„Es beginnt alles mit Neugier, der Lust zu lernen und sich anzupassen. Dies zu lernen, ist bis zu einem bestimmten Maße leider nicht möglich; vielmehr beruht es größtenteils auf der richtigen Mischung aus Persönlichkeit und Motiven. Es geht darum, Menschen mit der Fähigkeit zu finden, die auch bei sich schnell ändernden Umgebungen einen kühlen Kopf bewahren (‚das Motiv, etwas zu erreichen‘), eine ausgeprägte Neugier und den Willen mitbringen, sich in der verändernden Welt ständig anzupassen. Dies hängt hauptsächlich von schwer zu ändernden Charakterzügen ab, daher muss man damit in einer möglichst frühen Phase der Karriere beginnen. Je länger man damit wartet, desto komplizierter wird es.“
Was meinen Sie mit: „Beim Führen in der digitalen Welt geht es hauptsächlich um das Managen von Unsicherheit“. Welche Folgen hat dies für Executives/Unternehmen und welches sind die dann noch verbleibenden Sicherheiten?
„Die Welt wird immer globaler und volatiler. Die Grenzen zwischen den Branchen und Sektoren verschwimmen immer mehr. Früher wusste man noch, wer seine Mitbewerber waren, während heutzutage ein digitales Start-up aus dem Nichts kommen und in Ihre Branche drängen kann. Technische Entwicklungen beschleunigen das Tempo der Änderungen noch zusätzlich. All dies bringt Unsicherheit in die Welt und den Spielfeldern, auf denen wir aktiv sind. Unsicherheit ist das Einzige, was im Leben sicher ist. Am Ende des Tages müssen Leader vor allem dazu fähig sein, um Unsicherheit zu führen.“
In Ihrem Buch Leadership in a Digital World werfen Ralf Knegtmans und Ylva Poelman einen Blick auf die Folgen der Digitalisierung. Ralf Knegtmans ist Managing Partner bei De Vroedt & Thierry Executive Search www.devroedtenthierry.nl